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Yoga Nidra. Eine mystische Form von mentalem Training.

Der Schlaf der Yogis

Der Yogische Schlaf

Yoga Nidra wird langsam auch im deutschsprachigen Raum bekannter und beliebter. Und das ist gut so, denn was gibt es Schöneres, als tief zu entspannen, alle Sorgen, Ängste und herumschweifende Gedanken einmal richtig loszulassen? Danach erfrischt – oder auch angenehm müde – je nach Verfassung – den Tag weiter zu beschreiten oder noch ein kurzes Schläfchen anzuhängen. „Das kommt mir sehr gelegen!“ berichtete die deutsche Journalistin 2018 in einem Online-Artikel über ihr „Schlafyoga“.

Nur 40 Minuten hat ihre erste Begegnung mit Yoga Nidra gedauert und sie fühlte sich danach wie nach 14 Stunden Schlaf. Friedlich, gelassen. Körperlich wie mental. Eine unglaubliche Entspannung war eingetreten, sie hätte mehrere Stunden anhalten und sich auch auf die nächsten Tage noch positiv ausgewirkt Danach ging sie jede Woche in ihr „Schlafyoga“, bis sie schließlich mit einer CD zu Hause weiter übte.

So und ähnlich geht es häufig auch meinen TeilnehmerInnen meiner Yoga Nidra Stunden, Kurse, Workshops und Ausbildungen. Neuerdings auch online. Und oftmals erhalte ich erst Monate oder Jahre später eine Nachricht, wie positiv sich Yoga Nidra auf lange Sicht ausgewirkt hätte.

Was ist Yoga Nidra?

Nidra ist Sanskrit und bedeutet "Schlaf"; Yoga Nidra ist jedoch weit mehr als das. Es gibt zwei wesentliche Schulen in Indien, die Yoga Nidra lehren. So stammt die eine aus der Himalaya Tradition. Hier ist Yoga Nidra im Wesentlichen eine geführte Tiefenentspannung.

"Yoga Nidra ist eine erfrischende Methode, die völlig und ganz unseren Geist, das Gehirn, das Nervensystem und unsere fünf Sinne und den Körper entspannt. Außer durch Mediation und Yoga Nidra kann der Geist keine völlige Entspannung erfahren. Es gibt bis jetzt keine Wunderdroge, keine wissenschaftliche Methode oder körperliche Übung, die dem Unbewussten Ruhe schenkt, außer der Technik von Yoga Nidra, dem yogischen Schlaf.”

Swami Rama der Himalaya Tradition

Die andere Schule wurde von Swami Satyananda Saraswati bekannt gemacht und wird heute an der Bihar School of Yoga, der einzigen Yoga Universität der Welt, unterrichtet. Bei dieser Richtung geht es mehr um das Formulieren eines Vorsatzes, eines Wunsches, dem sogenannten "Sankalpa". Es ist damit – so nenne ich das als Mentaltrainerin: auch eine mystische Form von mentalem Training. Damit können wir aktiv unsere Wirklichkeit gestalten. Man soll sich während der Yoga Nidra Übung nach Anleitung den eigenen Vorsatz, Entschluss oder auch Vorstellung (Sanskrit: Sankalpa) dreimal achtsam vorsagen und diesen Vorsatz so lange  wiederholen, bis er sich verwirklicht hat. 

Was ist ein Sankalpa: Vorstellungskraft. Eine Bestimmung, etwas im Leben zu tun oder zu erreichen. Ein Sankalpa, manchmal auch Samkalpa, ist eine kurze mentale Aussage, die sich im Unterbewusstsein verankert, wenn unser Geist aufnahmefähig ist und sensibel auf Autosuggestion während Yoga Nidra reagiert. Es fließen hier sozusagen Techniken vom Gesetz der Anziehung mit ein; Visualisierungen, innere Bilder dürfen entstehen. Das Sankalpa kann eine Affirmation darstellen. 

 

YOGA NIDRA ZUR ZIEL-VISUALISIERUNG-ERREICHUNG

Man kann auf mentaler Ebene mit einem Sankalpa die richtigen Maßnahmen setzen, um Wünsche und Ziele zu realisieren, einen besseren Umgang mit belastenden Gefühlen erzielen, seine eigenen Grenzen erkennen und überwinden, sprich, ganzheitlich achtsamer und positiver denken, sich selbst wieder mehr bewusst zu sein und sich selbst auf Erfolg zu "programmieren“. Wenn Du gar keine Idee hast, hier eine Liste von Vorschlägen:

  • In mir ist alles heil und vollkommen.
  • Ich liebe und akzeptiere mich so wie ich bin.
  • Ich bin dankbar für alles, was ist und noch kommen darf.
  • Ich werde xyz mit Leichtigkeit, Sicherheit und Freude erreichen (es empfiehlt sich noch einen Endpunkt zu terminieren).
  • Innerer und äußerer Reichtum fliegen mir zu.

Wenn Du Dir nicht sicher bist, ob Dein Sankalpa richtig formuliert ist, füge einfach die (buddhistische) Phrase:

„zum Wohle aller fühlenden Wesen“

am Ende Deines Satzes hinzu. Wenn es dann noch stimmig ist, dann passt das aus ganzheitlicher Sicht bestimmt.

Yoga Nidra ist eine Übung, die immer gleichlautend wiederholt werden sollte. Das Wiederholen von heiligen oder positiven Selbstsuggestionen ist in fast allen spirituellen Disziplinen ein wesentlicher Bestandteil. Und das im Schlaf? Nicht ganz. Einschlafen solltest Du dabei nicht. Obwohl es natürlich nicht schadet. Dann brauchst Du Tiefschlaf eben ganz besonders dringend. Dann bist Du im Zustand „Nidra“ angelangt; eben ohne Yoga zu praktizieren. 

 

Wie man Yoga Nidra übt

Wichtig beim Üben von Yoga Nidra ist, dass man sich wohl fühlt, entsprechend warm angezogen ist oder eine Decke hat, denn durch die Entspannung kühlt der Körper leicht aus; dass das Mobiltelefon ausgedreht ist und auch sonstige Störfaktoren so gut wie möglich beseitigt werden. Dies ist gerade zum Beginn der Praxis hilfreich. Wenn man schon geübter ist, spielen Außengeräusche eine geringere Rolle als am Anfang.

Yoga Nidra ist eine systematische Methode, um totale physische, mentale und emotionale Entspannung herbei zu führen. 

"Die Meditationshaltung sollte stabil und angenehm sein. Indem wir alle Anspannung loslassen, können wir uns auf das Unendliche konzentrieren“ 
(Patanjali). 

Die Körperhaltung in Yoga Nidra ist das Liegen auf dem Rücken in Shavasana oder die Totenhaltung. Was könnte einfacher sein? Was natürlicher, was stabiler? Shavasana ist eine ideale Meditationshaltung, die (fast) jeder Mensch leicht einnehmen kann. Es ist sie einzige Haltung, die man „können“ sollte, um Yoga Nidra zu üben. Dann lasse sanft, ganz sanft geführt, alle Anspannung los, um Dich auf das Unendliche auszurichten. Yoga Nidra ist eine Form der tantrischen Meditation und verbindet uns in einem schlafähnlichen Zustand mit unserem Seelenkörper. 

Yoga Nidra lernen mit Begeisterung

Ich bin der Meinung (und halte es da mit Gerald Hüther), dass wir Yoga Nidra ungezwungen, mit Leichtigkeit und Freude und ohne allzu strenge Anforderungen an uns selbst ins Leben integrieren sollten. Es geht hier um eine geistige Verbindung – zuerst zu uns selbst – und dann zum Allerhöchsten. Wir wollen nicht noch ein weiteres To-Do auf unsere schon viel zu langen To-Do-Listen anhängen. 

Du musst nicht täglich Yoga Nidra praktizieren. Du darfst! Du darfst Dich mit Begeisterung, Freunde und Zuversicht an die mystische Wirkung hinlegen und der Stimme lauschen. Und wenn Du es nicht täglich schaffst, dann ist es nicht weiter schlimm. Dann holst Du Dir Yoga Nidra eben dann in Dein Leben, wenn es gerade gut für Dich ist. 

Dennoch wäre es vorteilhaft, wenn Du gerade zu Beginn mit einer gewissen Regelmäßigkeit übst. 

Yoga Nidra als Entspannungstechnik zur Krankheitsprävention

Das ist eine der einfachsten und effektivsten Präventivmaßnahmen für unsere Gesundheit, die man sich nur vorstellen kann. Wir sammeln in unserem Leben ständig Verspannungen an, sowohl körperliche, als auch seelisch-geistige (emotionale und mentale). Wenn wir schon dreißig, vierzig, fünfzig Jahre gelebt haben, wie viele Verspannungen mag es da schon geben, wenn wir die nicht immer wieder lösen würden. Und es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die körperliche Krankheitszustände mit Stress in Verbindung bringen.

Auch das weite Gebiet der Hirnforschung und Neurobiologie regt in den letzten Jahren auch das allgemeine Interesse abseits von Forschungslaboratorien, Spitälern und Wissenschaft. Dank neuer Technologien haben wir Zugriff auf aktuelle Studien und Erkenntnisse nicht nur durch Fachliteratur, sondern auch durch Online-Vorträge, Hörbücher, Filme auf Youtube, Netflix oder Amazon und es gibt zahlreiche Apps zum Thema „Gehirntraining“, „Gehirnjogging“, „Gedächtnistraining“ oder „neuronale Fitness“, die teilweise mit bunten, spaßigen Bildern, teilweise mit wissenschaftlichen Ansatz und interessanten Argumenten aufwarten.

Warum sind das Gehirn und seine Funktionsweise so interessant geworden? Das menschliche Gedächtnis ist in der multimedialen Kultur, in der wir leben, nicht unbedingt besser geworden. Im Gegenteil, immer mehr Informationen sorgen für einen massiven Abbau klassischer Merkfähigkeiten.

Dazu kommt die Überalterung der Bevölkerung mit zunehmend mehr Demenzerkrankungen; stressbedingten somatischen Erkrankungen, Überlastungen im beruflichen („Manager in der Krise“) sowie auch privatem („Mama-Burnout“) Kontext und gesamt ein jährliches Ansteigen der Erkrankungen nach ICD (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme). Dies verursacht weltweit explodierende Kosten für medizinische Versorgungssysteme wie Staat und Krankenkassen bei zunehmender beruflicher Belastung und gleichzeitig abnehmender Fähigkeit der Menschen in den hochentwickelten Industriestaaten, mit psychischen Belastungen umzugehen.

Und genau da setzt Yoga Nidra als Entspannungsmethode an. Immer mehr Menschen suchen für sich Lösungen und wollen verstehen, warum wir so sind, wie wir sind und Wege aus der Stressfalle kennen lernen; begreifen, warum wir so und nicht anders reagieren, warum unsere familiären und gesellschaftlichen Beziehungen funktionieren – oder eben nicht.

Die Zunahme einer Alphawellenaktivität im Gehirn während Yoga Nidra oder auch anderen Entspannungsmethoden wirkt sich positiv auf unsere mentale Verfassung aus. Mögliche Folgen sind ein Gefühl inneren Friedens, die Verringerung von Unruhe und Gefühle der Sorge, ein allgemeines Wohlgefühl, die Verbesserung der Schlafqualität, eine Steigerung der allgemeinen Leistungsfähigkeit, zusätzlich noch die Stärkung der kognitiven Fähigkeiten und eine Verbesserung von Durchblutung und Immunaktivität.

Tritt ein in die Stille.

Hari Om Tat Sat

 

Literaturempfehlungen:

Andreas Ziörjen, Loslassen mit Yoga Nidra, O.W. Barth, 2018.
Gerald Hüther, Was wir sind und was wir sein könnten, Fischer, 2011.
Ralph Skuban, Yoga Nidra, Tiefenentspannung und geistige Klarheit; Arkana, 2012.
Ruth Schneeberger, Das kommt mir sehr gelegen; www.yoga-anandaverlag.de, 2018.
Swami Niranjanananda Saraswati, Mind, Mind Management & Raja Yoga, Yoga Publications Trust, 2011.
Swami Satyananda Saraswati, YOGA. Weg zur inneren Freiheit. Satyananda Yoga Zentrum e.V.; 1996.
Swami Satyananda Saraswati, Yoga Nidra; Yoga Publications Trust, Munger, Bihar, India, 2019.
Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken, Mangalam Books, 2003.


Yoga Nidra – Anleitung:

Dr. Regina Potocnik, YOGA NIDRA – Heile Deinen Seelenkörper durch Entspannung Deiner Körperseele. CD oder MP3 Download auf https://www.go-rosa.com/yoga/yoga-nidra/

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